.
  2. Interview
 

D-Bo - Der Mut zum schwachen Rap

Mit «Sans Souci» macht sich der Berliner Rapper D-Bo erneut auf die Suche nach Sinn und Ausdruck. Sophie Albers sprach mit dem Ersguterjunge-Künstler über Selbsthass, das «kranke Deutschland» und ironieresistente Fans.
«Ich bin down mit der Straße/ weil ich down mit der Trauer bin/
und viele finden’s krass, aber hör doch mal genauer hin/
dann fühlst du, was ich sage, wie ich stolz und voller Glauben bin/
ich kämpfe weiter, weil ich irgendwann dann auch gewinn’.» (D-Bo, Sans Souci, «Down»)
Rapper sind einsame Wölfe, vor allem in Deutschland. D-Bo behauptet seit Jahren seinen eigenen Stil in einem Betonuniversum, und nun gibt ihm die Zeit endlich ein bisschen Recht. Die erste Single «Sans Souci» aus dem neuen, gleichnamigen Album ist sein bisher erfolgreichstes Werk. Und das fast gänzlich ohne den gewöhnlichen Gangsta-Habitus.
Der 29-jährige Wahlberliner ist wohl der spielerischste Musiker aus dem Künstlerkonglomerat Ersguterjunge. Allerdings macht ihn das nicht unbedingt glücklicher.

Netzeitung:
Sie haben sich mit 29 Jahren den «american dream» erfüllt: Mit harter Arbeit etwas aus Nichts geschaffen. Sie haben ein erfolgreiches Label mit aufgebaut, und Sie bringen regelmäßig Alben heraus. Warum schimpfen Sie eigentlich immer noch?

D-Bo:
Ich habe eine eher negative Einstellung zum Leben. Ich bin ein Pessimist, oder sagen wir pessimistischer Realist. Das ist vielleicht auch Selbstschutz, damit ich nicht enttäuscht werde, wenn ich mir irgendwas vornehme. So lebe ich dann auch oft. Ich höre immer wieder, dass ich mich mal locker machen soll, weil doch alles cool ist. Aber ich habe immer noch diese Panik in mir, dass die Sachen, die ich jetzt erreicht habe, mir in nullkommanichts weggenommen werden können.

Netzeitung:
Die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Label Ersguterjunge zusammenbricht, ist doch eher gering.

D-Bo:
So gering ist das nicht! Man steckt ja nicht drin im Musikmarkt. Zur Zeit ist Bushido die tragende Säule. Aber wenn er mal einbricht, dann wird es schon schwer für das Label zu überleben. Dann hätte ich das Standbein nicht mehr, für das Label zu arbeiten. Zwar könnte ich als eigenständiger Künstler weitermachen, aber ich bin ja sehr eng mit Bushido verknüpft. Wer weiß, wie die Leute dann auf mich reagieren. Da ist dieses Gefühl in mir drin, dass das, was ich bisher gemacht habe, einfach noch nicht ausreicht.

Netzeitung:
Wird es das denn jemals?

D-Bo:
Ich fühle mich noch nicht als vollwertiger Mann. Ich verdiene Geld, ich hab ne Wohnung, aber ich glaube, man braucht Eigentum und eine selbst gegründete Familie.

Netzeitung:
Haus, Frau, Baum, Hund…

D-Bo:
Ja, so ungefähr. Obwohl ein Hund in Berlin wäre nicht so nett fürs Tier.

Netzeitung:
Und diese Grundeinstellung reicht aus, um Ihnen die Freude am Leben zu nehmen?

D-Bo:
Es ist ja nicht so, dass ich permanent durch mein Leben gehe und die Dinge nicht genießen kann. Aber wenn ich mich hinsetze und mir überlege, was mir an meinem Leben gefällt und was ich gerne noch ändern würde, dann ist das ein ganz schwerwiegendes Thema, mit dem ich mich auch in den Texten sehr intensiv beschäftige. Wenn ich vor fünf Jahren in den Zustand gekommen wäre, in dem ich heute bin, dann würde ich mir vielleicht auch sagen: Alter, du hast alles, was du willst. Aber so ist es halt nicht.

Netzeitung:
Ein Bild, das Sie immer wieder verwenden, ist Deutschland als krankes Land. Was ist denn so krank daran?

D-Bo:
Das gravierendste Problem, das die Gesellschaft in diesem Land hat, ist, dass es keine Identität gibt. So sehe ich das jedenfalls. Die Deutschen haben so viele Sachen, an denen sie sich festhalten könnten, kulturell, sportlich, wissenschaftlich. Das ist ne Hochleistungsnation!

Netzeitung:
Michael Schumacher wird gefeiert, der Papst, die Nobelpreisträger…

D-Bo:
Aber nur von den Leuten, die das auch machen müssen. Von der Presse oder von Wissenschaftlern, die das anerkennen müssen. Aber wenn du durch die Straßen gehst, dann ist den Leuten das doch scheißegal. Ich sage dir, 99 Prozent der Jugendlichen wissen nicht mal, dass in diesem Jahr zwei Deutsche den Nobelpreis bekommen haben. Die Deutschen wissen ihre eigenen Stärken nicht zu schätzen. Deshalb bin ich auch so deutsch. [lacht] Deshalb fühle ich mich wahrscheinlich selbst auch so scheiße, weil ich die Deutschen so scheiße finde.

Und dann dieses ewige Rumgemeckere, das ich ja auch in mir habe, obwohl eigentlich alles cool ist. Das ist doch krank. Fast jedes andere Land auf diesem Globus würde sich wünschen, so zu sein wie Deutschland. Die Einwohner würden sich zurücklehnen und sagen ‘Jetzt haben wir nen gutes Leben’ . Aber die Deutschen machen es halt einfach nicht. Selbst wenn es keine Probleme gibt, machen sie sich welche.

Netzeitung:
Noch etwas, das Sie stört?

D-Bo:
Es gibt zu wenig Zusammenhalt, sowohl in einer Familie, als auch in der Gesellschaft. Den Deutschen fehlt ein gewisser Patriotismus, wie ihn zum Beispiel die Amis haben. Wenn du auf der und der Uni warst, muss das einfach die geilste Uni der Welt sein. Du gehst zu jeder Sportveranstaltung, zu jedem Ball und grölst für deine Footballmannschaft. In Deutschland musst du dich dafür schämen, wenn du irgendwo warst: Wenn du auf einer Eliteschule warst, musst du dich schämen, weil du ja ein Snob bist. Wenn du auf einer Hauptschule warst, musst du dich schämen, weil du ja nichts gelernt hast, und wenn du Durchschnitt bist, musst du dich schämen, weil du dich nicht abgrenzt. Dass die Leute sich nicht einfach mal zusammenraufen und sagen: Das ist unser Kreis, das ist meine Familie, und da steh ich zu. Das würde einiges leichter machen. Sie hätten dann etwas, wohin sie sich zurückziehen könnten, wo sie Unterstützung erfahren würden.

Netzeitung:
Auch wenn Sie sich selbst offenbar immer noch nicht sonderlich gut leiden können, so sind die Beats auf dem neuen Album verspielter, offener als vorher. Wie kommt das?

D-Bo:
Ich habe mich da mal so richtig ausgetobt. Ich finde es gut, wenn die Musik nicht so eingegrenzt wird auf die HipHop-Schiene.

Netzeitung:
Könnten Sie sich vorstellen, dass es irgendwann kein HipHop mehr sein wird?

D-Bo:
Natürlich. Irgendwann hat man auch die Grenzen von HipHop erreicht. Ich will mich da nicht einschränken. HipHop ist die Musik, mit der ich angefangen habe. Es ist schwierig, Musik zu machen, wenn du kein Instrument gelernt hast. Dann machst du die Beats am Computer. Wenn du keine Akkorde kannst, dann ist es einfacher, irgendwelche Sachen zu samplen, und dann kommen am Ende HipHop-Beats dabei raus. Ich kann auch nicht singen, also habe ich mich für Rap interessiert.

Netzeitung:
Haben Sie jemals in einer Band gespielt?

D-Bo:
Ich bin nicht so kompatibel für so was. Ich setze gerne meinen eigenen Kopf durch. Da verkaufe ich lieber weniger und komme schlechter an, aber bin mit dem, was ich präsentiere, hundertprozentig zufrieden.

Netzeitung:
Aber Sie arbeiten doch in einer Künstlergemeinschaft und machen viele Features.

D-Bo:
Ja. Aber wenn mir jemand einen Beat gibt, dann kriege ich 50 und suche mir einen aus. Es ist ja nicht so, dass ich mich mit dem zufrieden gebe, was die mir vorsetzen. Wenn wir die Songs zusammen schreiben, dann ist es so, dass die Parts unterteilt sind. Das war bei diesem Album ganz deutlich so. Ich kann meinen Part so gestalten, wie ich will, und die anderen machen das, was ich nicht hinkriege. Zum Beispiel in «Schwiegersohn» brauchte ich jemanden, der über seinen Schatten springen kann, und Eko und Summer sind perfekt dafür.

Netzeitung:
Eko ist wirklich grandios, ein unglaublicher Clown.

D-Bo:
Normalerweise trifft man sich, findet sich cool und überlegt, was man zusammen machen will. Aber diesmal war es so, dass ich die Songs schon im Kopf hatte und wusste, wie ich es ausdrücken will. Ich habe nur noch die passenden Beats dazu gesucht oder selbst produziert und die passenden Features dazu gesucht. Das einzige Feature, das nicht geklappt hat, war halt Bushido. Der hatte keine Zeit.

Netzeitung:
Besagter Song «Schwiegersohn» ist ein klassischer Macho-Rap. Machen solche Prollsongs mehr Spaß?

D-Bo:
Im Fall von «Schwiegersohn« hat es Spaß gemacht, denn ich stelle dar, was ich nicht bin. Aber auf Dauer könnte ich das nicht. Für einen Song ist das schon ok. Bei dem ganz konkret muss es auch für jeden ersichtlich sein, dass es ein Spaß ist.

Netzeitung:
Glauben Sie, dass diese Ironie überall ankommt?

D-Bo:
Nein, und das habe ich vorher auch nicht gedacht. Das Traurige ist, obwohl der Song extrem ironisch ist und gar nicht zu mir passt, kriege ich Feedback von Leuten, die sagen: Ja, ich kann’s hundertprozentig nachvollziehen.

Netzeitung:
Wie reagieren Sie darauf?

D-Bo:
Ich muss halt anerkennen, dass sie eine andere Lebensweise haben. Das ist für mich eine neue Erfahrung, dass es, selbst wenn man sich um 180 Grad dreht, immer noch Leute gibt, die das ernst nehmen und sich darin wiedererkennen. Oder sogar mich wiedererkennen.

Netzeitung:
Der Gangstarap im Allgemeinen reduziert die Sicht gerne auf Schwarz und Weiß. Weil es einfacher ist? Ist das Grau zu kompliziert?

D-Bo:
Wenn man so Sachen sagt, kann man nicht verlieren. Es werden einem immer Leute Recht geben. Wenn man aber sagt, die Sache ist gar nicht so, und du musst es nur so und so machen, und dann sagen hinterher alle: Nee stimmt nicht, du bist nen Spast, wir sehen das anders; dann steht man als Verlierer da. Deshalb trauen sich viele nicht, das zu sagen. Den Leuten Mut zu machen, sie zu überzeugen, mitzureißen, ist halt schwer. Es ist einfacher, mit dem Strom zu schwimmen. Und ich nehme mich da nicht aus. Ich sage auch manchmal Sachen, die schon Tausend Leute vor mir gesagt haben. Und das sind dann die Songs, wo ich schon vorher weiß, dass jeder sagen wird: Ich kann das verstehen, was der da sagt.

Netzeitung:
Wozu braucht man eigentlich Helden?

D-Bo:
Helden sind Menschen, die Dinge vollbringen, die man sich selbst nicht zutraut oder zu denen man selbst nicht fähig ist. Dann gibt es Leute, die gehen diesen Schritt als erstes. Das hat dann die Wirkung, dass Menschen sich bestätigt fühlen in ihrer Vermutung und es dann auch machen.

Netzeitung:
Wer war Ihr erster Held?

D-Bo:
Keine Persönlichkeit oder so. Ich fand es als kleiner Junge geil, Düsenjets und Hubschrauber am Himmel zu sehen. Ich fand die Piloten total krass. Das waren so meine Helden. Das habe ich dann immer nachgespielt, bin mit ausgebreiteten Armen durch den Garten gerannt. Die ganze Bundeswehr mit Uniformen und so fand ich toll. Mein erster richtiger Held war aber Michael Jordan. Ich hab ja selbst Basketball gespielt, und das war einfach der beste Basketballer. Der war nie in Skandale verwickelt. Es gab andere gute Basketballer, aber die waren dann mal betrunken oder sind zu schnell Auto gefahren. Jordan dagegen hat immer alles richtig gemacht. Später habe ich dann rausgekriegt, dass der auch nicht so toll war. Er war mein erster und letzter Held.

Mit D-Bo sprach Sophie Albers.

 
   
 

Statistiken
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden