D-Bo - Deutscher Hip Hop hörst du mich
Deutscher HipHop, das sind zu allererst die harten, indexgeprüften Straßenbilder von Bushido, Sido und Co. Dem gegenüber steht der breit akzeptierte «Studentenrap» von Musikern wie Jan Delay, die sich mit elaboriertem Sprachwitz einen Reim auf das Leben machen. Und dann gibt es noch Rapper wie D-Bo. Der 28-jährige Wahlberliner hat zusammen mit Bushido das Label Ersguterjunge aufgebaut. Gerade ist sein drittes Album erschienen. Und «Seelenblut» bietet eine ganz eigene Art des HipHop.
Das liegt weniger an der Musik als an den Texten. Die sind düster - und zwar so düster, dass man sich um den Musiker schon Sorgen machen könnte: Alle Hoffnung verloren, Hass und Verachtung für alles und jeden, kombiniert mit leidenschaftlicher Liebe, die es zwar irgendwo gibt, die sich aber nicht zeigt, und schließlich immer wieder der Tod als Erlösung. Hier kämpfen Ritter gegen den Satan, und es fließen Unmengen Blut, allerdings hauptsächlich aus dem Protagonisten selbst.
Solche Höllenmalereien kennt man sonst eher aus dem Gothic- oder Metal-Bereich, doch paart D-Bo den lyrisch anspruchsvoll formulierten Weltschmerz mit dem Straßenslang à la Neukölln. Die Mischung gab es so bisher nicht zu hören, ebenso neu kommt dazu die christliche Metaphorik des jungen Mannes, auf dessen Schulterblättern ein überdimensioniertes Kreuzsymbol prangt. Denn wo Xavier Naidoo auf Gottes Weg seine Stimme in die Höhe schraubt, rappt D-Bo waffenklirrend von seinem Kreuzzug gegen die Mächte des Bösen.
Das sei alles vereinbar, sagt er verblüffend versöhnlich, und plötzlich ist es auch nicht mehr verwunderlich, dass «Seelenblut» ausgerechnet aus der Ersguterjunge-Schmiede tropft. Man muss nur genau hinhören.
Netzeitung: «Deutscher HipHop hörst du mich/ Ich bin D-Bo Deutscha Playa und scheiss auf dich» heißt es gleich im ersten Stück Ihres neuen Albums: Was stört Sie eigentlich so sehr am deutschen HipHop?
D-Bo: Dass vieles nur Fassade ist. Viele Künstler kann man eigentlich gar nicht als Künstler bezeichnen, weil die nur eine Art Handwerk betreiben, bei dem es darum geht, die Texte krasser zu rappen als jemand anderes. Und dann sind die Texte inhaltlich auch noch nichts sagend oder stimmen einfach nicht. Es kotzt mich an, dass es sich dahin entwickelt hat, dass nur Oberflächlichkeiten vermittelt werden.
Netzeitung: Gibt es denn auch deutsche HipHopper, die Sie mögen – außer Ersguterjunge-Künstler?
D-Bo: Ja klar, es gibt schon ein paar Leute, aber so generell höre ich auch ziemlich wenig Rap. Es sind hin und wieder mal einzelne Songs, die ich mag, aber es gibt keinen Künstler, den ich so generell gut finde.
Netzeitung: Ich habe gelesen, dass Sie mit den Fantastischen Vier angefangen haben.
D-Bo: Richtig mit Rap angefangen habe ich mit amerikanischen Gruppen. Aber die ersten deutschen Sachen, die ich gehört habe, waren die Fantastichen Vier. Da wo ich herkomme, gab’s keine Szene, über die man sich hätte informieren können, was in der Musik los ist. In Northeim, 34.000 Einwohner, gab es keinen Rap oder HipHop.
Netzeitung: Wie muss man sich eine Jugend in Northeim vorstellen? Gab es da ein Jugendzentrum oder so etwas?
D-Bo: Ja, das fand ich aber scheiße, bin ich nicht hingegangen. Ich habe immer schon mein Ding gemacht, mit meinen Kumpels ein bisschen rumgehangen. Über den Freundeskreis bin ich auch an die amerikanischen Platten gekommen. Und irgendwann stand in einem Laden dieses Album – wie hieß die denn noch, die vor «Vier gewinnt», mit so nem roten Cover. Da war ein Aufkleber drauf: HipHop auf Deutsch oder so ähnlich. Und ich dachte: «Hä? So was geht doch gar nicht.» Dann habe ich’s mir angehört und fand es total geil. Ich wusste natürlich nicht, dass das eigentlich «Mainstreamscheiße» ist [lacht]. Aber damals war ich zu klein, um das zu unterscheiden. Und so wie ich Roxette gehört habe oder Michael Jackson habe ich auch Fanta Vier gehört. Das hat für mich keinen Unterschied gemacht
Netzeitung: Es ist ein ziemlich weiter Weg von Fanta Vier bis zu D-Bos «Seelenblut».
D-Bo: Ja, aber da sind ganz andere Umstände in meinem Leben für verantwortlich. Ich mache HipHop, weil das die Musik ist, mit der ich mich am besten ausdrücken kann. Ich kann kein Instrument spielen, ich bin darauf angewiesen, am Computer Beats zu machen - und ich kann auch nicht singen. Also hat sich der Sprechgesang angeboten. Es gab schon eine Phase in meinem Leben, in der ich nur Rap gehört habe, aber ich war nie so engstirnig, dass ich das als meinen Lebensinhalt angesehen habe.
Netzeitung: Nun mal zu D-Bos Welt – «Ich bin der, der gerne in der Kälte steht, weil Wärme ja für Schwäche steht, was keiner auf der Welt versteht» Was ist für Sie Schwäche?
D-Bo: Wenn man sein Bild von sich selbst nicht einhalten kann. Jeder hat ja so ein Selbstbild, und wenn du sagst, ich bin jemand, der unheimlich ehrlich ist, und dann aber doch täglich mit kleinen Lügen lebst, die dir das Leben vereinfachen, dann bist du schwach, weil du gar nicht widerspiegelst, was du sein möchtest. Wenn du aber genau so mit dir zufrieden bist und das auch nach außen hin wiedergibst, dann bist du ne starke Persönlichkeit.
Netzeitung: «Keine Hoffnung/ Tod als Erlösung/ Die Welt wird mich vermissen» Das zieht sich durch alle drei Alben. Haben Sie Todessehnsucht?
D-Bo: Nein, aber ich bin ab und zu depressiv, und dann hilft es mir, so einen traurigen Text zu schreiben, um mit dem Problem fertig zu werden. Manchmal setzt man sich mit einem Thema, das einen belastet, gar nicht wirklich auseinander. Wenn ich einen Text schreibe, dann versuche ich überhaupt erstmal, das alles so richtig von Grund auf zu betrachten, die andere Seite der Medaille zu sehen. Das hilft dann schon. Der Text steht für den Moment, in dem man in der Situation steckt, in dem einem der Gedanke durch den Kopf schwirrt ‘Alles ist scheiße, ich werfe jetzt einfach alles hin und spring von ner Brücke.’ Das ist nur Sache des Timings. Das soll aber nicht heißen, dass ich suizidgefährdet bin. [lächelt]
Netzeitung: Trotzdem, es klingt mehrfach so, als hätten Sie Ihre Karriere bereits aufgegeben: Es soll das letzte Album sein, Sie mögen Berlin nicht, Sie mögen die HipHopSzene nicht. Dabei läuft das Label doch recht ordentlich, und Sie produzieren auch.
D-Bo: Aber das ist doch kein Grund, sich zurück zu lehnen und zu sagen, jetzt habe ich ein paar Sachen aufgebaut, jetzt läuft alles gut. Es gibt dann ja trotzdem noch Probleme im Leben. Das kennen Sie doch sicher auch: Je älter man wird, desto mehr Probleme tun sich auf. Vielleicht schwankt es ja irgendwann wieder in die andere Richtung. Aber ich habe das Gefühl, mit zunehmendem Alter feinfühliger für bestimmte Sachen zu werden und auch ängstlicher. Mit zwölf ist man einfach vom Zehn-Meter-Brett gesprungen und hat sich nichts dabei gedacht. Jetzt bin ich plötzlich 28 und denke: «Krass, wenn ich da oben ausrutsche und mit dem Rücken aufkomme, dann habe ich die Arschkarte.»
Netzeitung: Und dann klettert man wieder runter…
D-Bo: Man macht sich irgendwann Gedanken über seine Zukunft. Ich habe den Wunsch, eine Familie zu gründen und überlege, was ich dazu brauche. Leider nicht nur die Frau und ein vernünftiges Umfeld, sondern auch Geld. Und wenn das Rappen an sich nicht dafür sorgt, dass ich eine Familie ernähren kann, dann würde ich die Zeit, die ich in ein Album investiere, in andere Sachen stecken, um Geld zu verdienen. Das ist der einzige Grund. Dass ich weiter kreativ sein möchte, das steht außer Frage.
Netzeitung: Normalerweise bedeutet Rap vor allem Pose. Ihre Texte sind aber nicht nur düster, sondern auch sehr ehrlich, sie machen sehr weit auf. Bietet das in Ihrer Szene nicht Angriffsfläche?
D-Bo: Will jemand sagen, der Typ ist depressiv? Dann hat er ja krass was Neues gesagt. Das habe ich ja selbst schon gesagt. Aber das Prinzip ist doch immer so im Leben: Wenn du vor deinen Eltern stehst, sie fragen nach der letzten Arbeit, und du sagst, die haben wir noch nicht zurück, und sie finden sie dann, gibt es natürlich viel mehr Ärger, als wenn du von vornherein sagst, ich habe sie verhauen. Das Sprichwort ‘Lügen haben kurze Beine’ kommt ja nicht von ungefähr. Man hat sich nichts vorzuwerfen, wenn man ehrlich ist.
Natürlich gibt es Leute, die das als Schwäche empfinden, aber ich sehe es als Stärke an, dass ich akzeptiere, diese schwachen Momente und Fehler zu haben.
Netzeitung: Auf Ihrem Debüt «Deutscha Playa» erzählen Sie in dem Stück «Keine Liebe» davon, dass ihre Mutter Sie mit 17 bekommen hat, von Ihrem Vater verlassen wurde, dass sie hungern mussten, verhaftet wurden… Sind das alles wahre Geschichten?
D-Bo: Ja, aber so richtig Hungern kann man nicht sagen. Wir haben damals bei meinen Großeltern gewohnt. Die waren Selbstversorger mit ner kleinen Farm, ein paar Hühnern, Schweinen und einem Garten. Dann gab es halt auch manchmal Phasen, im Winter zum Beispiel, da war nicht mehr so viel zu essen da. Dann hat man halt eine Woche lang nur Tütensuppen gegessen. Das macht eben nicht so richtig satt. Mein Standardfrühstück war ne Tasse heiße Milch mit nem Zwieback. Wenn ich jetzt immer einen voll gedeckten Tisch zum Frühstück habe, ist das eine ganz andere Situation. Das vergisst man nicht. Dadurch weiß ich ganz andere Sachen im Leben zu schätzen und freue mich über Dinge, die anderen Leuten vielleicht gar nicht auffallen.
Netzeitung: Sie sind gläubiger Christ und haben sich Ihr Bekenntnis sogar in die Haut tätowieren lassen… [Auf dem linken Oberarm ist ein Kreuz zu sehen mit dem Schriftzug 'Only God can judge me']
D-Bo: … und auf dem Rücken trage ich das Chi-Rho.
Netzeitung: ?
D-Bo: [Steht auf, zieht sein Shirt hoch und offenbart ein großes schwarzes Monogramm auf den Schulterblättern ]
Netzeitung: Gute Güte, wie lange hat das gedauert?
D-Bo: Vier Stunden, ging relativ schnell, aber der hat’s auch richtig durchgezogen, und ich bin zwischendurch auch einmal abgekackt. Da hat er mir irgendwas zur Beruhigung gegeben. Unglaublich, wie es auf der Wirbelsäule weh tut, nicht zu empfehlen.
Alpha und Omega steht für Anfang und Ende, und das XP heißt Jesus Christus. Das steht für alles, was er uns gegeben hat, als Botschaften, wie man sein Leben leben sollte. Natürlich halte ich mich nicht an alles, und einige Sachen teile ich vielleicht nicht hundertprozentig. Aber im Großen und Ganzen sollte man sich an die zehn Gebote schon halten. Denn [Er zeigt auf den Oberarm] egal wie es auf der Erde aussieht, letztlich wird erst im Himmel entschieden, ob du ein guter Mensch warst oder nicht.
Netzeitung: Die Szene, in der Sie leben, ist ja eher muslimisch geprägt. Ist da Ihr Glaube je Thema?
D-Bo: Manchmal. Es gibt Gespräche, in denen ich davon überzeugt werden soll, dass der muslimische Glaube der richtigere sei. Muslime glauben ja auch an alles, was Jesus gesagt hat, aber er ist halt nur ein Prophet, heißt es dann. Aber die haben ihren Glauben, und ich habe meinen. Ich höre mir das alles gerne an, aber meine Meinung ist so tief verankert, dass es für mich keine Frage ist. Und das wird respektiert.
Netzeitung: Sind Sie christlich erzogen worden?
D-Bo: Nein, das Thema Glauben und Kirche gab es bei uns in der Familie nie. Natürlich sind das alles Christen, die glauben auch an Gott, aber es hat für meine Mutter bei meiner Erziehung keine Rolle gespielt. Ich habe es für mich so nach und nach gefunden. Zum Beispiel haben sich meine Eltern einmal richtig krass gestritten, meine Mutter hatte auch schon was getrunken. Dann hat sie auf einmal ein Glas auf den Boden geschmissen, die Autoschlüssel genommen und ist weggefahren. Was soll man da machen, hinterher rennen? Die einzige Hilfe, die ich ihr geben konnte, war zu beten, dass sie keine Dummheiten macht, im Auto gegen einen Baum fährt oder so. Und es hat auch gewirkt. Nicht nur, dass sie heile wiedergekommen ist, es hat mich beruhigt. Je älter ich werde, desto besser finde ich das Prinzip vom christlichen Leben. Wenn sich jeder dran halten würde, dann hätten wir vielleicht das Paradies auf Erden.
Netzeitung: Das hört sich an, als ginge es vor allem um das Konzept einer Gesellschaftsordnung….
D-Bo: Das Grundgesetz ist ja das Gleiche.
Netzeitung: Dann sehen Sie die Gebote wie das Gesetzbuch, als eine Anleitung zum besseren Zusammenleben?
D-Bo: Als Richtlinie, ja. Und wenn du gegen etwas verstoßen hast, kannst du es wieder gut machen. Wenn du einen Fehler gemacht hast, den von Herzen bereust und versuchst, ihn nie wieder zu machen, dann wird dir dieser Fehler auch nicht negativ angelastet.
Netzeitung: Wenn man Ihre Textehört, lässt das eher an Kreuzzüge denken, denn an den Papst, der an die Einhaltung der Gebote erinnert.
D-Bo: Na, der Papst kann ja auch keine Kampfansage machen. Ich bewundere den schon, ist ein krasser Mensch, die ganze Verantwortung und die Dinge, an die er sich halten muss. Aber ich glaube nicht, dass man einen Papst braucht. Ich glaube nicht einmal, dass man eine Kirche braucht. Der Papst kann ja nur das Wort Gottes widerspiegeln. Ich kann mir als normaler Mensch rausnehmen zu sagen «Ich bin der Prinz der Jugend/ Komm schon Deutschland, folge mir». Ich nehme das Schwert, ich bin der erste, der in die Schlacht zieht mit Gottes Hilfe. Ich kann die Leute aufwecken. Wenn der Papst so was sagen würde, würde das ganz anders verstanden werden. Das wäre dann ja ein Aufruf zum Heiligen Krieg oder so was.
Netzeitung: Fühlen Sie sich als Verteidiger Ihrer Religion? Gegen den Djihad?
D-Bo: Nein gar nicht. In dem Moment, da ich sage, dass ich in den Krieg ziehe, meine ich, dass ich der erste bin, der sich gegen Probleme stellt. Und wenn ich dann sage ‘Das Kreuz an meiner Kette’, dann spiegelt das nur wider, dass ich das Ganze mit meiner Überzeugung tue, die ich aus dem Glauben schöpfe. Ein Muslim versteht das genauso und ein Jude auch. Da fühlt sich niemand angegriffen.
Netzeitung: Hätte es auch ein anderer Glaube sein können?
D-Bo: Schwer zu sagen. Aber ich sehe keinen Unterschied, ob man über den muslimischen Glauben, den jüdischen Glauben oder den christlichen Glauben an Gott glaubt. Für mich gibt es diesen einen Gott. Ich finde es eher schwierig, wenn jemand gar nicht glaubt.
Netzeitung: Letzte Frage: Auf «Seelenblut» haben Sie einen Song den Außenseitern gewidmet…
D-Bo: [rappt] «Das ist für die Außenseiter/ komm ich geb euch wieder Kraft/ geb euch meinen Glauben weiter/ guck was dieses Lied hier schafft.» Rap ist immer so ne Geschichte, wo die Coolen über die Coolen erzählen. Und alle, die cool sind, können sich damit identifizieren. Diejenigen, die halt nicht krass sind, nicht viele Weiber haben, sind dementsprechend nicht cool und werden gleich nach außen gedrängt. Dabei können diese Leute genauso die Sachen fühlen, die auf einem HipHop-Album gesagt werden, die haben genauso ein Leben, auf das sie stolz sein können. Das wollte ich einfach sagen. Und zwar nicht auf diese ‘Na komm schon, es wird schon’-Tour, sondern: ‘Komm, scheiss mal richtig drauf, du bist wirklich cool.’
D-Bo, «Deutscha Playa» (2000), «Deo Volente» (2005), «Seelenblut» (2006)
Mit D-Bo sprach Sophie Albers.